Erfahrungsberichte geben die Meinung des Autors wieder.
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Zum Zeitpunkt der Geburt von M. waren mein Mann und ich 30 Jahre alt. Wir hatten schon zwei Söhne. Meine dritte Schwangerschaft verlief eigentlich ganz normal. Bei den Routineuntersuchungen sagte die Ärztin wiederholt, dass ich wegen des großen Kopfumfanges wohl ein besonders großes Kind erwarten würde. Im Nachhinein finde ich, dass mich meine Frauenärztin zu einer genaueren Untersuchung hätte schicken sollen. Die Geburt zog sich circa 18 Stunden hin; dies hatte ich nach problemlosen und schnellen Geburten nicht erwartet. Endlich hatte ich mein Kind im Arm. Sein Gewicht betrug 4.360 g und seine Länge 52 cm. Sein Aussehen beunruhigte mich sofort: er hatte einen großen Kopf, kurze Arme und Beine. Kurze Zeit nach der Geburt kam der leitende Kinderarzt und nannte uns noch im Kreissaal die Diagnose „Kleinwuchs“. Er erwähnte im gleichen Atemzug einen bekannten, kleinwüchsigen Musiker, den er bewunderte. Ich glaube, seine Botschaft an uns sollte bedeuten: „Ihr Sohn ist klein, aber ansonsten ist alles in Ordnung mit ihm.“ So richtig aufnehmen konnte ich dies aber zu diesem Zeitpunkt nicht. Eine Kinderärztin ist mir aber in sehr unangenehmer Erinnerung geblieben. Sie fragte mich noch am Tag der Geburt: „Warum konnten Sie sich nicht mit zwei gesunden Kindern zufrieden geben?“ Ich habe dies nicht vergessen können und empfinde es noch heute als zutiefst verletzend.
Das richtige Begreifen und die Trauer kam eigentlich erst zu Hause. Ich wollte alles über die Diagnose wissen, suchte Kontaktadressen, Betroffene, Selbsthilfegruppen. Heute glaube ich ganz fest, dass dies der richtige Weg für uns war: Stück für Stück sind wir mit dem „Kleinwuchs“ größer geworden.
Für uns und für seine Geschwister ist M. eine große Bereicherung. Ich hoffe, er bewahrt sich sein Selbstbewusstsein und seine Neugier.