Der Begriff Wachstumshormonmangel bedeutet, dass die Hypophyse kein oder zu wenig Wachstumshormon produziert.
Die Ausschüttung des Hormons kann entweder vollständig oder teilweise gestört sein. Je nach Ausmaß wird das normale, genetisch vorbestimmte Wachstum des Kindes gestört. Eine Ausnahme ist der so genannte “Laron-Kleinwuchs”. Hier haben die Patienten sehr viel Wachstumshormon im Blut, jedoch ist der passende Rezeptor im Körper defekt: Das Hormon kann nicht wirken, die Kinder bleiben klein.
Das Krankheitsbild des Wachstumshormonmangels gehört zur sog. pädiatrischen Endokrinologie. Dieser Bereich der Medizin befasst sich mit den Erkrankungen der hormonproduzierenden Drüsen bei Kindern und Jugendlichen.
Ursache
Es gibt viele Krankheiten, die zu einer Störung des Wachstums führen können. Daher sind zunächst verschiedene Untersuchungen nötig, um die richtige Diagnose stellen zu können. Die Ursache für einen angeborenen Wachstumshormonmangel ist in vielen Fällen unbekannt. Die Medizin nennt dies einen idiopathischen (=unbekannte Ursache) Wachstumshormonmangel.
Viele Ursachen können zu einem Wachstumshormonmangel führen. Zum besseren Verständnis sind sie im Folgenden in drei Gruppen geteilt:
- angeborener Wachstumshormonmangel
- erworbener Wachstumshormonmangel
- vorübergehender Wachstumshormonmangel
Da wir uns lediglich mit genetisch bedingten Defekten befassen, sei hier nur auf den angeborenen Wachstumshormonmangel eingegangen.
Genetischer Defekt:
Sehr selten ist eine genetische Störung direkt für den Wachstumshormonmangel verantwortlich. Bisher sind zwei verschiedene Formen bekannt. Bei der einen (1a, autosomal-rezessiv) fehlt ein Gen für die Hormonproduktion auf dem Chromosom 17. Die beiden genetischen Störungen treten familiär gehäuft auf und folgen bestimmten Vererbungsmustern.
Mögliche Merkmale
Erster Hinweis kann ein vermindertes Längenwachstum sein. Das betroffene Kind ist kleiner als die Gleichaltrigen und wächst erheblich langsamer.
Unter Umständen deutet nur ein erniedrigter Blutzuckerspiegel auf die Hormonstörung hin. Bei Knaben findet sich häufig ein besonders kleines Geschlechtsteil. Die Verlangsamung des Wachstums fällt häufig erst nach dem 6. Lebensmonat des Kindes auf. Dann verzögert sich auch die Gewichtszunahme des Kindes und die Zahnbildung setzt verspätet ein. Je länger ein Wachstumshormonmangel besteht, umso mehr bleibt das Skelettalter des Kindes zurück: Die Länge und die Entwicklung der Knochen entsprechen dann nicht mehr dem Lebensalter.
Bei der Form des angeborenen Wachstumshormonmangels sind die Körperproportionen normal. Es finden sich jedoch Auffälligkeiten im Körperbau:
- kleine Hände und Füße
- das Puppengesicht:
- Kinn und Nase wirken zu kurz,
- das Gesicht ist dabei rundlich
- am Bauch (Körperstamm) finden sich ausgeprägte Fettpolster
Besonderheiten
- bei der Geburt:
- Die Entwicklung von Größe und Gewicht im Mutterleib werden zunächst nicht von dem Wachstumshormon beeinflusst.
- Ein neugeborenes Kind mit einem Wachstumshormonmangel ist normal groß und schwer.
- in der Kindheit:
- Bildet sich ein Wachstumshormonmangel erst im Verlauf der Kindheit oder Jugend aus, dann vermindert sich die Wachstumsgeschwindigkeit und das Kind bleibt in der körperlichen Entwicklung gegenüber Gleichaltrigen zurück.
Therapie
Das Behandlungsprinzip ist einfach: Das fehlende Hormon wird dem Körper regelmäßig zugeführt. Noch bis 1985 war dies allerdings sehr aufwendig und gefährlich. Bis dahin stellte man das Wachstumshormon aus den Hirnanhangdrüsen von Verstorbenen her. Dieses Verfahren war extrem teuer und mit einer Infektionsgefahr, u.a. für die Jakob-Creutzfeld-Erkrankung verbunden. Heutzutage werden Bakterien gentechnisch so beeinflusst, dass sie Wachstumshormone produzieren – identisch mit denen des menschlichen Körpers.
Unter der Behandlung mit dem Wachstumshormon beginnt ein sichtbares Aufholwachstum. Das Kind wächst schneller als seine Altersgenossen – in manchen Fällen bis zu 20 cm pro Jahr. Das Aufholwachstum dauert solange fort, bis das Kind die genetisch angelegte Größe für das jeweilige Alter erreicht. Die Gabe des künstlichen Hormons wird aber bis zum Abschluss des Wachstumsalters weitergeführt.
Das Wachstumshormon ist ein Eiweißstoff und wird von dem Magensaft angegriffen, daher ist eine Einnahme in Tablettenform nicht möglich. Das Wachstumshormon muss einmal täglich in das Unterhautfettgewebe gespritzt werden, ähnlich wie bei Diabetikern. Eltern und Patienten können dies leicht erlernen. Bei einer richtigen Dosierung treten selten Nebenwirkungen auf. Störungen im Zucker-Haushalt des Körpers (gestörte Glucose-Toleranz) oder ein zu starkes Wachstum einzelner Organe sind möglich. Weitere Nebenwirkungen können Gelenkbeschwerden und allergische Reaktionen an der Einstichstelle sein.
Die Behandlung wird in der Regel von einem erfahrenen kinderärztlichen Endokrinologen durchgeführt. Größe und Gewicht werden dabei in regelmäßigen Abständen kontrolliert und mögliche Nebenwirkungen erfasst. Unter Umständen wird in jährlichen Abständen eine Röntgenaufnahme der Hand angefertigt, um den Entwicklungsstand der Knochen festzustellen.
Bei Betroffenen mit einem auch späteren GH-Mangel, muss oft lebenslang weiter behandelt werden. Eine derartige Entscheidung muss aber stets im individuellen Fall sehr sorgfältig entschieden werden.
Stand: 2015