Achondroplasie ist die am häufigsten auftretende Kleinwuchsform (ca. 1 von 20.000 Geburten), eine genetisch bedingte Entwicklungsstörung des Knorpel- und Knochengewebes.
Eine ähnliche Erkrankung mit etwas milder ausgeprägten Symptomen ist die Hypochondroplasie.
Ursache
Ursache ist eine Mutation des Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-Gens FGFR-3. Diese führt zu einer Störung der Knorpelbildung. Die Knochenwachstumsfuge verknöchert vorzeitig, was zur Einschränkung des Längenwachstums vor allem der Arme und Beine führt. Infolge dessen entsteht ein dysproportionaler Kleinwuchs, mit relativ großem Kopf, normal langem Rumpf und verkürzten Extremitäten.
Die Achondroplasie wird autosomal-dominant vererbt, das heißt, sie kann nur von selbst Betroffenen weiter vererbt werden. Achondroplasie entsteht jedoch in den häufigsten Fällen durch spontanes Auftreten einer Neumutation.
Mögliche Merkmale
Die Symptome der Achondroplasie sind verkürzte Extremitäten (Oberarme und Oberschenkel mehr als Unterarme bzw. –schenkel), O-Beinstellung, kurze breite Hände und Füße („Dreizackhand“ – vergrößerter Abstand zwischen 3. u. 4. Finger), Streckhemmung von Hüft- und Ellbogengelenken – aber auch Überstreckbarkeit der übrigen Gelenke, kurzer Hals, großer Kopf mit vorgewölbter Stirn, tiefe Nasenwurzel, Hohlkreuz u. BWS-Kyphose, häufig auch angeborene Enge des Hinterhauptslochs, Spinalkanalstenose
Besonderheiten
- bei der Geburt:
- Die Körperlänge ist nur etwas geringer als bei anderen Neugeborenen. Auffällig ist ein großer Kopfumfang und etwas verkürzte Arme und Beine. Der Muskeltonus ist in den ersten Lebensjahren relativ schwach ausgeprägt. Die motorische Entwicklung wie Krabbeln, Sitzen-, Laufen lernen erfolgt deshalb verzögert. Durch Verengung der Atemwege und des kleineren Brustkorbs kann es zu Atembeeinträchtigungen kommen, auch vermehrtes Schnarchen oder Atempausen während des Schlafs sind möglich.
- in der Kindheit:
- Gehäufte Infektionen der oberen Atemwege, Entzündungen des Mittelohres (auch Paukenergüsse) Hier ist es wichtig, auf eventuell auftretende Hörstörungen zu achten, um eine Beeinträchtigung der Sprachentwicklung zu vermeiden.
- Bedingt durch etwas stärkeres Wachstum der Wadenbeine im Vergleich zu den Schienbeinen bilden sich mehr oder weniger stark ausgeprägte O-Beine aus. Die Beinachsen sollten in regelmäßigen Abständen überprüft werden, bei Bedarf ist eine operative Korrektur notwendig um Folgeschäden an den Gelenken zu vermeiden.
- Ober- und Unterkiefer sind häufig zu eng, um allen Zähnen Platz zu bieten. Eine Übewachung durch Zahnarzt bzw. Kieferorthopäden ist notwendig.
- in der Pubertät/Erwachsen:
- Die Endgröße beträgt etwa. 0,95 m bis ca. 1,30 m, Lebenserwartung und Intelligenz sind völlig normal.
- Achondroplasie-Betroffene neigen zu Übergewicht. Das Wachstum von Muskeln, Haut-, Fettgewebe usw. ist nicht beeinträchtigt.
- Eine Verengung des Rückenmarkkanals kann zu Beschwerden wie Schmerzen in den Knien, Taubheitsgefühlen und Muskelschwäche im Beinbereich führen. Durch die vermehrt ausgeprägte Wirbelsäulenbiegung (Hohlkreuz u. Rundrücken) sind Beschwerden durch Muskelverspannungen möglich.
Therapien
Eine Achondroplasie kann ursächlich nicht geheilt werden. Die begleitende Behandlung durch Frühförderung, Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie usw. ist angezeigt.
Operative Gliedmaßenbegradigung bzw. –verlängerung
Das Auftreten einer erheblichen Abweichung der Beinachse, lässt sich operativ korrigieren:
Ist noch genug Knochenwachstum vorhanden, können bei einen kleineren Eingriff sog. Eight-Plates, kleine Plättchen positioniert werden um das Wachstum des Knochens vorübergehend auf einer Seite zu blockieren. Auf der anderen Seite bleibt die Wachstumsfuge weiterhin aktiv. Dadurch begradigen sich die Beine im Laufe des weiteren Wachstums. Nach Abschluss der Behandlung werden die Plättchen dann wieder operativ entfernt.
Bei geschlossenen Wachstumsfugen ab der Pubertät ist diese Möglichkeit einer Achsenbegradigung nicht mehr möglich. Es bietet sich die Korrektur sowie die Möglichkeit der Gliedmaßen-Verlängerung mittels externem Fixateur oder auch eines innenliegenden Marknagels, der in die Knochenmarkhöhle des Röhrenknochens eingebracht.wird. Der Knochen wird durchtrennt und die beiden Knochenenden werden täglich ca. 1 mm voneinander weg bewegt. Zwischen den beiden Enden bildet sich neuer Knochen (Kallus). Dieser muss nach der Verlängerungsphase noch aushärten um stabil und belastbar zu werden. Eine derartige Verlängerungs-Op. ist sorgfältig abzuwägen. Die Behandlung ist langwierig, schmerzhaft und kann mit vielen Risiken und Komplikationen behaftet sein.
Medikamentöse Behandlung:
Seit 2021 ist eine medikamentöse Behandlung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen. Der Wirkstoff Vosoritide hemmt den Wachstumsfaktor-Rezeptor FGFR-3, der ein normales Knochenwachstum verhindert. Dadurch sollen sich die Krankheitssymptome vermindern. In der Zulassungsstudie verbesserte sich das Wachstum im Schnitt um ca. 1,5 cm pro Jahr gegenüber unbehandelten Achondroplasiekindern. Das Medikament muss einmal täglich injiziert werden. Als häufigste Nebenwirkungen werden Kreislaufbeschwerden (Hypotonie), Reaktionen an der Injektionsstelle und Erbrechen angegeben.
Die aus unserer Sicht wichtigste “Therapie” ist jedoch die Aufgabe der Eltern,schon das Kleinkind psychisch zu stärken und eine stabile “innere Größe” aufzubauen. Dazu gehört, die Eigeninitiative und Selbstständigkeit der Kinder gezielt zu fördern. Die Kinder müssen von den Erwachsenen in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, von Ärzten und Ärztinnen nicht der Größe, sondern dem Alter entsprechend behandelt werden. Kleinwüchsige sind völlig normale Menschen, sie sind nur kleiner. Hier ist in den letzten Jahren durch selbstbewusst auftretende Kleinwüchsige, unterstützt von aktiven Selbsthilfegruppen, sicher eine bessere Akzeptanz erzielt worden. Unsere Gesellschaft ist jedoch weiter gefordert,
Überarbeitet April 2022 von Monika Saal